Zwischen den Disziplinen

Katharina Kleiter, Do, 12. Mai 2022

Die Ausstellung Handwerk der Zeit zeigt auf eindrucksvolle Weise das Zusammenspiel von Handwerk und Architektur. Im Zentrum steht das Werk des Bregenzerwälder Architekten Alfons Fritz und die Arbeiten mehrerer Mitgliedsbetriebe des Werkraum Bregenzerwald. Für das Konzept der Ausstellung zeichnen sich Menschen aus unterschiedlichen Bereichen verantwortlich – ein spannender und herausfordernder Prozess.

v.l.n.r.: Belinda Rukschcio (Geschäftsführung Werkraum Bregenzerwald), Ute Denkenberger (vorarlberg museum), Bernhard Kleber (Bürgermeister Gemeinde Andelsbuch), Sophia Döffinger (Universität Liechtenstein), Valerie Keiper-Knorr (Kuratorin), Anna-Claudia Strolz (Kuratorin), Heike Kaufmann (Projektleitung) und Nina Lässer (Universität Liechtenstein)

„Die Gestaltung einer Ausstellung hat ihre ganz eigenen Herausforderungen. Sie zielt im Prinzip darauf ab, die Besucher:innen für eine gewisse Zeitspanne in eine andere Welt zu versetzen. Innerhalb kurzer Zeit sollen die Themen und Inhalte verstanden werden und auch etwas Neues gelernt werden“, erklärt Sophia Döffinger, Studentin der Architektur an der Universität Liechtenstein. Im Zuge der Lehrveranstaltung Advanced Studios – Upcycling war sie mitverantwortlich für die Gestaltung der Ausstellung „Handwerk der Zeit“.

„Wir Studierenden stellten uns die Frage, wie man die modernen handwerklichen Werte des Bregenzerwaldes und des Werkraums mit den Arbeiten des Andelsbucher Architekten Alfons Fritz zusammenführen und den Menschen begreiflich machen kann“, so Döffinger. Unter der Leitung von Architektin und Studienleiterin Cornelia Faißt arbeiteten die Student:innen mehrere Monate an der Ausstellungsvorbereitung.

Bestand nutzen

Im Zentrum des Universitätsprojekts Advanced Studios – Upcycling steht das Thema „Bauen im und mit Bestand“. Dabei geht es um die Erfassung, Bewertung und qualitative Weiterentwicklung von Baubestand sowie die Aufwertung von bestehenden urbanen Strukturen. „Neue Ansätze in der Architektur zeigen einen Trend zu Konzepten des häufig genutzten, theoretisch und historisch jedoch kaum definierten Begriffs Upcycling“, sagt Cornelia Faißt. „Dabei wird oft vergessen, dass die Geschichte des Bauens schon immer auch eine Geschichte der Wieder- und Weiterverwendung war – erstens von Baumaterialien und Bauteilen, zweitens von Bauwissen und Baustilen.“

Ein Beweis dafür ist das Werk von Alfons Fritz. Der Architekt lebte Anfang des 20. Jahrhunderts und nur 33 Jahre lang. Er verstand es aber schon damals, mit seinen Bauwerken auf den jeweiligen Kontext sowohl städtebaulich, konzeptionell, aber auch konstruktiv einzugehen. Er war in der Lage seine Neubauten harmonisch in die historische Bausubstanz einzufügen.

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„An freacher Siach“

Diese Tatsache und die neugierige und selbstbewusste Herangehensweise Fritz‘ fasziniert auch Ute Denkenberger vom vorarlberg museum. Sie ist die Autorin des Buches „Alfons Fritz 1900–1933: Ein Vorarlberger Architekt der 'Tiroler Moderne'“ und für die historische Kontextierung der Ausstellung im Werkraum Bregenzerwald verantwortlich. „An freacher Siach“, sei Fritz laut Denkenberger gewesen. Das meint sie ganz positiv. „Alfons Fritz war auffallend talentiert, fleißig, zielstrebig und voller Schaffensmut“, so Denkenberger weiter. Basierend auf solidem Handwerk reagierte er auf aktuelle Anforderungen und setzte neue Ideen gekonnt um. Entwurf und Ort gingen bei ihm eine enge Verbindung ein.

Aber nicht alle Ideen von Fritz stießen zu seiner Zeit auf große Begeisterung. Beim Entwurf für das Bregenzer Kriegerdenkmal wurde das – von Alfons Fritz gewählte – Baumaterial Beton kritisiert, da man es nicht wiederverwenden könne. Auch deswegen erhielt der Bronze-Entwurf von Albert Bechtold den Vorzug. „Die Begründung war: Bronze könne man einschmelzen. Zunächst irritierend, wenn man bei der Entwurfseinreichung schon an dessen Zerstörung denkt. Aus heutiger Sicht würde man sagen – nachhaltig“, erzählt Ute Denkenberger.

Nachahmenswert

Der Ansatz einer langlebigen Architektur und die enge Zusammenarbeit mit dem Handwerk, die Alfons Fritz über sein gesamtes Werk hinweg verfolgte, macht den Andelsbucher für die Kuratorinnen der Ausstellung, Valerie Keiper-Knorr und Anna-Claudia Strolz, zu einem Vorbild für das moderne Bauen. Sie sehen darin das Spannungsverhältnis, das es herauszuarbeiten und den Besucher:innen zu vermitteln gab. „Die Mitgliedsbetriebe des Werkraum Bregenzerwald geben mit ihren Arbeiten Antworten auf Fragen, mit denen sich bereits Alfons Fritz vor mehr als 100 Jahren beschäftigte. Sie werfen aber auch neue Fragen auf“, sagt Keiper-Knorr. Was ist (noch) zeitgemäß? Wie arbeiten ArchitektInnen und HandwerkerInnen zusammen? Welche wesentlichen Veränderungen gab es in den letzten 100 Jahren? Welche Themen und Techniken sind heute noch aktuell?

Die Tischlerei Greussing ist einer dieser Betriebe. „Die Ausstellung bietet uns die Möglichkeit, schön geplante Objekte neu zu interpretieren und zu zeigen. Da wir auf Treppenbau mit verschiedensten Formen und Gestaltungsmöglichkeiten spezialisiert sind und Alfons Fritz mehrere schöne Treppenhäuser umgesetzt hat, mussten wir einfach mitmachen“, sagt Martin Greussing. Bei dem Ausstellungsstück handelt es sich um einen viertelgewendelten Anfangsbereich einer Treppe in Esche massiv. Das Design ist eine Kombination aus der vorgegebenen Ausstellungsarchitektur und den bestehenden Details einer Planung von Alfons Fritz.

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