Möbel, die Emotionen wecken

Nina Fischer, Do, 07. Dezember 2023

Ein Gespräch mit Martin Bereuter
über das Handwerk und seine Einreichung
bei der Handwerk+Form 2023.

Ideen entspringen stets einem Bedürfnis, einem Raum oder einer Person – davon ist Martin Bereuter, Tischler mit architektonischem Hintergrund, überzeugt. Denn der Zweck eines Möbelstücks ist genauso relevant wie die Person, die es benutzen wird.

Emotionen sind dabei ein wesentlicher Bestandteil, da sich in Möbeln Lebensentwürfe und Lebenshaltungen widerspiegeln. Perfektion spielt eine untergeordnete Rolle, das Möbelstück muss zur Situation passen. Durch ein Bedürf­nis und eine konkrete Anwendung im Kopf entwickelte sich auch die Idee zum „tablo“, prämiert bei der Handwerk+Form 2023. In einem außergewöhnlich großen Team bestehend aus der Ideengeberin, zwei Architekten, zwei Handwerkern und einem Konstrukteur, entstand der Entwurf für dieses vielseitig einsetzbare Objekt mit Potenzial zur Weiterentwicklung.

Für Martin Bereuter hört der Entwurf nie auf. Er kann sich zwar mit all seinen Möbelstücken identifizieren, aber er betont auch, dass nicht alle fertig sind. Indem bestehende Komponenten wiederverwendet werden, kann aus dem Entwurf eines Tischs ein Hocker und aus einem Hocker eine Bank werden. Ideen entstehen bei ihm im Kopf, dabei kann eine Autofahrt genauso viel Inspiration liefern, wie ein Besuch in einem Café. Pläne gibt es für seine Möbel nicht immer, manchmal nur für einzelne Fragmente. Daher ist es gar nicht so leicht, diese nachzubauen. Oft geht er den umgekehrten Weg: Sobald ein Möbelstück fertig entwickelt vorliegt, wird dieses analysiert und daraus dann die Fertigungspläne erstellt.

Siehst du dich als Entwickler oder als Gestalter?

MB: Ich bin Architekt und habe einen Tischlerbetrieb, daher bin ich sicher mehr Gestalter als andere Handwerker:innen. Die Frage nach der Gestaltung schwingt bei mir immer mit: Ist es gestalterisch gut? Passt es zu der Person? Ich denke konzeptionell und werde gerne früh in Entstehungsprozesse eingebunden.

„Es ist nur schön, was funktioniert. Alles, was funktioniert, ist auch schön.“

Bist du immer mit deinen Werkstücken zufrieden?

MB: Ja, ich kann mich immer mit meinen Werkstücken identifizieren, hinter den Möbeln stehe ich. Allerdings sind in meinen Augen nicht alle fertig.

Was ist dein erfolgreichstes Werkstück und warum?

MB: Im Grunde würde ich sagen, erfolgreich ist das, was im Konzept des Auftrags funktioniert. Ich bin aber auch immer wieder verblüfft, weil es auch Stücke gibt, die von Anfang an funktioniert haben, sich aber nie wirklich verkauft haben.

tablo

Handwerk+Form 2023
Kategorie: Exzellenz
Tisch
Laubholz, Tafel
80 x 160 x 75 cm

Einreichung: Tischlerei Bereuter, Martin Bereuter, Lingenau
Entwurf: Tape Studio, Wien; pla.net architects ZT GmbH, Wien
Mitbeteiligte: Tischlerei Bereuter, Martin Bereuter, Lingenau; Gerola Metalltechnik GmbH, Manfred Kloser, Langenegg

Was würdest du wahnsinnig gerne einmal umsetzen?

MB: Mein eigenes Bücherregal. Es gab schon mal vier oder fünf Entwürfe, aber ich komme seit drei Jahren nicht dazu, es umzusetzen. Vielleicht wird es ja demnächst noch was.

Wenn du kein Handwerker geworden wärst, was wärst du dann geworden?

MB: Vor dem Architekturstudium habe ich ein Semester soziale Verhaltenswissenschaft studiert und bei der Lebenshilfe gearbeitet. Vermutlich wäre ich bei der Psychologie oder etwas Ähnlichem gelandet. Architektur ist es deshalb geworden, weil es mir einfach von der Hand ging. Ich musste nicht so viel nachdenken, um etwas zu verstehen oder einen Lösungsansatz zu erkennen.

Braucht es das Handwerk und wofür?

MB: Ja, logisch braucht es das. Ohne Handwerk könnten wir viele Dinge nicht machen, wir würden viele Dinge gar nicht verstehen. Es ist eine sinnvolle Art und Weise, die Welt zu gestalten und unsere Lebensgrundlagen zu erhalten.

Was fällt dir spontan ein, wenn du an die Zukunft des Handwerks denkst?

MB: Ich denke an die jungen Leute, meine Mitarbeiter:innen, die sich fürs Handwerk interessieren und das mit einer Freude und einem schönen Selbstverständnis machen. Ich frage mich, wie es in Zukunft wohl weitergeht. Mit Nischenprogramm oder im großen Stil?

Warum machst du beim Gestaltungswettbewerb Handwerk+Form mit, was spornt dich an?

MB: Es geht darum, zwei Welten miteinander zu verbinden – das Entwerfen und das Entwickeln, aber auch die Region mit meiner Wahrnehmung der Welt. Die Handwerk+Form hat es möglich gemacht, dass es dafür einen Platz im Bregenzerwald gibt. Daher habe ich auch immer mitgemacht. Ohne die Handwerk+Form hätte sich mein beruflicher Werdegang durchaus auch anders entwickeln können.

„Möbel werden als Antwort auf Bedürfnisse gebaut.“

Dieses Interview ist Teil der Serie „Handwerk erleben“.
Das prämierte Objekt „tablo“ ist in der aktuellen Ausstellung zu sehen.

Unser Newsletter

Abonniere unseren kostenlosen Newsletter, um stets über aktuelle Ausstellungen, Veranstaltungen und Projekte auf dem Laufenden zu sein.